Der erste von den beiden poltikgruppe Initiatoren hat seinen Zivildienst ja bereits beendet. Er grüßt aber gelegentlich und weil er ein echter Fuchs ist, hat er sich diesesmal die Grußkarte von der BILD sponsern lassen…
Jedenfalls ein gelungener Einstieg in unsere zweite Runde mit den deutschen Medien.
Jeder kennt die BILD Werbung, die hier nachgestellt wurde. Wir haben gemeinsam kurz darüber (un-) sinniert warum Werbefläche mit „Kritik“ von prominenter Seite gefüllt wird.
„Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen“ wurde da genannt, oder auch „sich mit gelebter Meinungsfreiheit schmücken“. Ist das, was die BILD bzw. ihre Werbeagentur, sich dabei gedacht haben?
Wir haben einen Blogbeitrag auf Stadtmenschen.de zu dem Thema angelesen und fanden heraus:
(…) die Botschaft der scheinbar kritischen BILD-Spots ist unzweifelhaft:
So vieles man an der BILD auch kritisieren mag, so unangreifbar ist doch ihre Stellung in der Gesellschaft. Und weil man so unangreifbar ist, besitzt man auch die Souveränität, kritische Stimmen zu Wort kommen zu lassen.
Die hierin liegende umgekehrte Psychologie ist das wirklich Perfide an der BILD-Kampagne, einer Kampagne, die zum Teil hoch angesehene Prominente auf ausgeklügelte Weise für ihre Zwecke dienstbar macht.
Die Strategie, sich gerade durch die Bewerbung seiner plumpen Art unangreifbar zu machen, bzw. sich als „Too Big To Fail“, also unangreifbar in der Funktion als Leitmedium, zu inszenieren, scheint jedenfalls aufzugehen.
Laut Wikipedia Eintrag erreicht die BILD ca. 18% der Bevölkerung ab 14 Jahren (mit „erreichen“ ist nicht nur die Käuferschaft gemeint. Die Auflage liegt nämlich „nur“ bei ca. 3 mio. am Tag). Damit ist sie ein wesentlicher Faktor der Axel Springer Dominanz (siehe letzter Beitrag).
Ein Beispiel also für gelungenen…ja was eigentlich? Befürworter nennen es: Volksnähe. Kritiker meinen: Populismus. Ein Zyniker ließe sich evtl. hinreißen zu etwas wie: Modernen Journalismus (?)…
Wieso das?
Beschäftigen wir uns doch mit der Analyse Stafan Gärtners, dem Autor (und Zyniker oder Kritiker?) des TITANIC Artikels, welcher im letzten Beitrag verlinkt ist.
Denn er analysiert eine „Boulevardisierung“ im gesamten Pressebereich. Das ist bitter Ernst gemeint, jedoch humorvoll illustriert anhand der Praktiken von SPIEGELonline. Warum Spon?
SPIEGELonline ist seiner Meinung nach „Leitwolf im Schafspelz“ der deustchen Medien.
Nicht genug damit, dass man sich dort zunehmends der bewährten „Boulevardinstrumente“ bediene, aber dieses „kundenbindende Remmidemmi“ in der Rolle des Nachrichtensenders ohne „Schmuddeleck„-Image „paradigmatisch“ betreiben könne.
Sondern die Redakteure sogenannter Qualitätszeitungen nähmen SPIEGELonline auch als Leitmedium war, ohne „die subtileren Signale, schlechten, weil manipulativen Journalismus zu erkennen und vielleicht ausnahmsweise mal nicht zu kopieren„.
Es ist tatsächlich von zumindest fraglicher Natur, wenn es ausgerechnet die Süddeutsche Zeitung immer mehr zum „dramatisch Drastischen“ drängt, weil man sich zusehends an diesem „postmodernen Leitmedium“ orientiert.
Genauer: An der „Bereitschaft zum Spektakel, das Aufklärung ans (…) bedeutungslose Gelärme verrät„.
(Und das tun sie, zumindest haben ihre Online-Redakteure SPon als Startseite, so der Chefredakteur).
Im Folgenden soll ja noch vermehrt sowohl auf die Hintergründe als auch die Folgen der zunehmenden Profit-Orientiertheit eingegangen werden. Vor diesem Hintergrund kommt den beschriebenen Entwicklungen, zumindest nach Meinung des Autors, eine traurige Bedeutung fürs Ganze zu:
“Denn Netzjournalismus, sofern er aus wirtschaftlichen Gründen und mit Blick auf Breitestwirkung betrieben wird, ist (…) Destillat, die Essenz von Journalismus als Geschäft, dessen Prinzip Hermann L. Gremliza vor dreißig Jahren so beschrieben hat: ‘Der Wettbewerb um die Gunst der Konsumenten zwingt die privatwirtschaftlichen Medien, alles zu unterlassen, was die Instinkte und Vorurteile der Leser, Hörer und Seher stören könnte. Ja, um gar kein Risiko zu laufen, müssen sie immer noch ein Stück tiefer ansetzen. Axel Springer sieht das schon ganz richtig: Wer in diesem Busineß Erfolg haben will, darf nicht belehren, aufklären, fragen – er muß unterhalten, bestätigen, verdummen.
Doch zu dem Fazit des Autors später, wenn es um Motive geht. Erstmal haben wir versucht abseits von diesen, Prozesse zu erkennen.
Als Ansatz für Hintergrundverständnis, schauten wir uns bereits die Monopole in der Medien-Wirtschaft an (s. letzter Beitrag). Noch ein bisschen mehr Licht ins Dunkel bringt ein Interview mit der Kulturpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.
Sie spricht über die Präkarisierung des Journalismus (vorallem durch Einsparungen im Personalbereich) in den letzten 5 Jahren, welche eine aktuelle Studie nachzeichne. Zu den Folgen sagt sie:
Dann kommen halt die Meldungen so wie die Presseagenturen sie rausgeben leicht oder gar nicht verändert ins Blatt. Nun sind aber die Presseagenturen ihrerseits (…) unter hohem Konkurrenzdruck stehende Nachrichtenkonzerne, die Nachrichten lieber schnell (…) verbreiten, als noch einmal genauer hinzuschauen.
Es leide aber nicht nur die Qualität der Recherche, sondern auch die Unabhängigkeit, denn:
(…) Angst vor Anzeigenboykott durch Unternehmen ist sicherlich bei einigen Verantwortlichen bei der Auswahl der Berichterstattung präsent
Sie deutet auch bereits an, was wir später genauer beleuchten wollen:
Nehmen wir mal ein Land wie Thüringen. Hier besitzt die WAZ-Gruppe drei der vier wesentlichen Regionalzeitungen (…) Sie hat also in dem Bereich ein Monopol, mit Seiten und Artikeln, die in den verschiedenen Blättern gleich oder sehr ähnlich sind. Wer kann in Thüringen noch gegen die Interessen dieses Unternehmens Politik machen? Zehn Konzerne haben heute in ganz Deutschland den weit überwiegenden Teil der Zeitungen und Zeitschriften in der Hand und dringen mehr und mehr auch in den Rundfunk ein. Das führt natürlich zu einer Verengung des Spektrums an Meinungen.
Sah man den Journalimus einst als stolze „4. Gewalt“ im Staat, so gilt es einzusehen, dass auch er nicht dem Kapitalismus zum Fraß vorgeworfen werden darf. Damit meine ich, die beschriebene Präkarisierung einerseits und die Monopolbildung andererseits. Denn diese Strukturen zwingen das „Unternehmen Journalismus“ sich auf Käuferzahlen zu fixieren.
Zu dieser Einsicht passend fanden wir auch die Anekdote zur Lage der Öffentlich Rechtlichen Senderanstalten am Ende besagten Interviews. Lustig, wäre sie nicht so traurig. Denn: Es geht um das „Erbe aus der Geburt der Demokratie„, nämlich den Auftrag zur „kulturellen und politischen Grundversorgung“ welcher um der Quoten Willen vernachlässigt wird (am besten kurz selber lesen!).
JETZT ABER wollten wir zur konkreten politischen Komponente des Themas kommen. Arbeitsthese: Die beschriebenen Entwicklungen fügen dieser neue Qualiäten hinzu.
Der zuvor zitierte TITANIC-Autor kommt bei seiner Analyse der Qualitäts-Boulevardisierung in seinem Fazit auf die „gängigsten Axiome der Kulturkritik„. Soll heißen: „Das Spektakel will es zu nichts anderem bringen als sich selbst„.
Er stellt fest „der alte Print-SPIEGEL glaubte immerhin noch daran, Sturmgeschütz der Demokratie zu sein; unmöglich zu sagen, was sein virtueller Ableger als postdemokratische Hirnwaschmaschine noch wollen können sollte“ (als jene Axiome zu illustrieren).
Wir lasen dazu eine Idee:
Die Medien und ihre Berichterstattung haben nicht nur eine überragende Bedeutung für die politische Willensbildung ihrer Leserinnen und Leser, sondern sie beeinflussen massiv auch parteiinterne Debatten und Personalien (…) Die Medien sind nicht frei von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen (…) Damit soll nicht behauptet werden, dass alle Journalistinnen und Journalisten ihre Berichterstattung den Aktionären ihrer Verlage unterordnen. Sie ist und bleibt jedoch klassengebunden, und das bekommt eine Partei wie DIE LINKE, die sich auf die Seite der Opfer der kapitalistischen Wirtschaft stellt, zu spüren – zumindest so lange, wie sie etwas taugt.
Dies ist aus der Einleitung von Achim Kesslers „Interessierte Kreise“. Am Beispiel der Landtagswahlen in Hessen 2009, versucht er den „erbitterten Wiederstand“ der Wirtschaft „und, als deren Teil, der Medien“ gegen die LINKE bzw. die von ihnen augehenden „Verstöße gegen das Neoliberale Glaubensbekenntnis“ (aller Anderen), akribisch nachzuzeichnen (lesenswert!).
Auch der SPIEGEL und sein online-Angebot beteiligten sich laut Kessler.
Will man auch nicht Recht an die große Verschwörung glauben, oder auch nur an die „klassengebundenen Interessen“ jeder Berichterstattung, so bleibt doch eine Einsicht: Der besagte Selbstzweck (sicherlich hat es SPIEGELonline viele Clicks (=Werbeeinnahmen) beschert, mitten in der Landtagswahl aus 6 nennbaren Parteiaustritten „Dutzende“ zu machen und eine LINKE die dabei ist „sich selbst zu zerlegen“ zu inszenieren), diese profitorientierte Sensationitis jedenfalls, behindert einen aufklärerischen Ansatz eher.
Mit Erfolg betrieben verstärkt sie sich außerdem stets selber, denn die anderen geraten unter Zugzwang. Ob Hetze oder Hype, es kann vermeintlich keiner darum herum kommen. Unterhaltsam hat das für uns ja Volker Pispers (in dem Video, dass ich im letzten Beitrag bereits verlinkt hatte) illustriert. Stichwort: Der interessant gemachte Furz oder auch vom Leben schwer frustrierte Bundesbänker…
Was ist aus dem guten alten Spruch geworden: Was kümmert es die stolze Eiche wenn sich das Borstenvieh daran schuppt? (…) Unsere (…) Demokratie aber, das ist keine stolze Eiche, das ist ein biegsames Schilfrohr, das sich ehrfüchtig vor jedem verneigt, der auch nur ein bisschen Wind zu machen versteht.
Gut, das betraf jetzt wieder mehr ein Prinzip aus dem Hintergrund. Zurück zum Politischen:
Nach Meinung Kesslers (und vieler anderer, z.B. meiner Lieblingsseite: NachDenkSeiten, van Rossum in der WDR5 Medienkollumne, usw., einfach mal googlen!) wird aus dem „Selbstzweck“ jedenfalls schnell Hetze gegen beispielsweise bestimmte Parteiinterne Kräfte, Koalitionsoptionen oder auch „nur“ bestimmte Positionen. Das ist also eine mögliche Antwort auf die Frage nach dem Politischen an den beschriebenen Prozessen.
Aber auch „auf der anderen Seite“, soll heißen bei den Liberalen, hat man Vorstellungen zu der Frage. Wir beschäftigten uns in der Gruppe jedenfalls auch (ebenfalls auszugweise) mit der Veranstaltung „3. Liberaler Salon: Medien, Macht und Meinungsbildung„. Es handelt sich um eine Diskussionsrunde.
Hier wird, von Seiten des Kommunikationswissenschaftlers Kepplinger, „eine Machtverlagerung von der Politik auf die Medien“ in den letzten 40 Jahren konstatiert.
Auch der Chefredakteur der ZEIT
(…) erkennt einen Qualitätsverlust der Nachrichten ebenso an wie die Tatsache, dass sich die Medien zu einem eigenen Machtfaktor entwickelt haben. Im Gegensatz zu Kepplinger sieht er die Medien dabei aber als reaktiv und nicht politisch motiviert an.
Ebenfalls wird hier (wieder durch Kepplinger) die „übertriebende Form der Skandalisierung“ kritisiert. Ganz mit Volker Pispers, sagt er:
Hinzu käme, dass sich die Journalisten schon immer an ihren Kollegen orientiert hätten.
Und, wie um unseren TITANIC-Autor zu bestätigen:
Diese „Ko-Orientierung“ habe sich im Journalismus durch das Internet enorm beschleunigt und ausgeweitet.
Ebenfalls interessant und schon eher im Kontrast zu dem zuvor Zitierten, ist die Aussage des SPIEGEL-Autors Fleischhauer. Der erzählt aus eigener Erfahrung, in der „Meinungswirtschaft“ gebe es „praktisch nur Linke„. Später schließt sich Prof. Kepplinger an:
Studien belegen, dass die Mehrheit der Journalisten in den meinungsbildenden Medien eher der politischen Linken zuneigen, während die Mehrheit in der Bevölkerung im Vergleich dazu eher rechts davon steht,
Und kommt so zu einer etwas anderen politischen Komponente (als Kessler und Ko.), denn die Konequenz sei:
dass die meinungsbildenden Medien vor allem kontroverse Themen nicht so darstellen, wie die Bevölkerung sie sieht.
Fleichauer alledings meint:
Hindert uns die politische Voreingenommenheit (…) unseren Job zu machen? Ich glaube nicht.
Dazu fragen wir, fast am Ende dieser beiden Einheiten angelangt, allerdings:
Und was ist mit einem Zusammenspiel aus der Zentralisierung der Medienwirtschaft, den ökonomischen Sachzwängen denen diese Unternehmen unterliegen, den begrenzten Möglichkeiten bzw. erhöhten Abhängigkeiten einzelner Journalisten die daraus folgen, der Boulevardisierung die u.a. deshalb so fruchtet, der KO(llegen)-Orientierung, die diesen Effekt noch verstärkt…UND (um den Kreis zu schließen) Versuchen politischer Einflussnahme die aus den handfesten materiellen Interessen der Monopol-Unternehmen entspringen können, aber auch ganz einfach aus denen der einzelnen Journalisten selber oder auch ihren Ängsten, die bei ihnen ja genau wie bei „normaler Leserschaft“ durch die Boulevardisierung geschürt werden, welche sich ja wiederum durch die Orientierung an den „Leitmedien“ ständig verbreitet, welche wiederum…puuh usw. eben (?!).
Und um ENDlich zur zentralen Frage beim Thema Medien bzw. Meinungsmacht zu kommen, die provokative Aussage Fleischhauers:
„Ich lese immer, dass die Medien die ‚vierte Gewalt‘ seien, im Grundgesetz steht davon allerdings nichts.“
Sind die Medien die 4. Gewalt im Staat? Oder was ist „ihr Job„? Und was auch deine Antwort sein mag: Läuft es richtig so wie es momentan läuft?
– give your Senf dazu! –